(Pop)Kultur für alle!

Die Zeit drängt. Die Gefahren, die uns bedrohen, sind hautnah: die Ausrottung eines großen Teils der Menschheit und mit ihr zusammen die Zerstörung unseres Planeten; die Verelendung eines erheblichen Teiles der sogenannten Zwei-Drittel-Welt; die Repression des Menschen überall in der Welt; die Zerstörung der wesentlichen Lebensgrundlagen der natürlichen Umwelt der Menschheit; die psychische Deformierung des Menschen in Nord und Süd, Ost und West. Auszüge vom Berliner Politologen Ossip K. Flechtheim († 4. März 1998) bei einer Buchvorstellung zu seinem im Jahr 1972 veröffentlichten Werk namens Futurologie, der Kampf um die Zukunft. Bereits vor 50 Jahren warnte er: „Die Bedrohungen hängen aufs engste zusammen und können eigentlich nur miteinander gelöst werden. Und, was das wirklich Fatale ist, wir haben nicht mehr allzu viel Zeit, um unser Haus — d. h. den Planeten Erde! — in Ordnung zu bringen!“

Betrachten wir die Gegenwart lässt sich feststellen, dass wir keinen Schritt weitergekommen sind und sich die Lage leider noch zugespitzt hat. Günther Heyder schrieb es gäbe kaum ein wichtigeres Buch über Sinn und Ziel der Zukunftsforschung. Was können wir also lehrreiches aus Flechtheims Werk mitnehmen? Mit Nachdruck wird in dem Buch für eine Zukunftsforschung plädiert, die sich dem Ziel verpflichtet, „eine solidarische Weltföderation mit Planung der Zukunft der Menschheit im Dienste von Frieden, Wohlfahrt und Kreativität“ zu verwirklichen. Hierfür müssen Prognostik, Planung und Philosophie der Zukunft zu einer neuen Einheit zusammengefügt werden, wobei zur Zukunfts-Philosophie auch die Politik und Pädagogik der Zukunft gehören.

Die Futurologie, meint Flechtheim, könne als „Dritte Kraft“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus verstanden werden. Flechtheim plädierte auch dafür, dass die Futurologie zu einer demokratisch-humanistischen „Dritten Front“ werde, die quer durch Kapitalismus und Kommunismus verläuft. Dann könne sie nicht nur zur Annäherung der beiden Machtblöcke beisteuern, sondern vor allem auch zur Liberalisierung und Humanisierung der Welt von morgen beitragen. Als Annäherung an die von ihm angestrebte abgerüstete klassenlose Weltföderation, sah Flechtheim als zu verwirklichendes Nahziel eine Privilegien, Bürokratismus und Militarismus abbauende sozialistische Demokratie an. Er setzte große Hoffnung auf die aufbegehrende Jugend, von der die Brüchigkeit und Hohlheit der modernen Gesellschaft, die Entfremdung und Verdinglichung ihrer Kultur, die Leere und Lüge ihrer Politik entdeckt werde. Er strebt eine Haltung an, die die positiven Möglichkeiten der Zukunft gegen die negativen Beschränkungen der Vergangenheit durchsetzen will. Dieses zielgerichtete Handeln resultiert aus der Erkenntnis, dass nur die Zukunft der Ort ist, wo der Mensch versuchen kann, die Herrschaft der Unwerte – Unfriede und Ungerechtigkeit, Unfreiheit und Unwahrheit – und den Mächten, die sich mit diesen Unwerten identifizieren abzubauen, um die Grundwerte – Friede und Gerechtigkeit, Freiheit und vor allem Wahrheit zu stärken. In Philosophie der Musik nach Karl Marx, schreibt Andreas Domann, dass Kunst, die eingreifend und gesellschaftsverändernd wirken soll, anderen Grundsätzen folgt als eine, die zur Zeit der realisierten Utopie Ausdruck einer nicht mehr entfremdeten Existenz des Menschen ist. Der deutschen Pop-Musik schreiben wir großes Potential zu, um als Kunstform diese Gesellschaftsveränderung anzustoßen, denn blickt man auf die internationale Wahrnehmung, dann fällt auf, dass deutscher Pop insbesondere als Kunst Aufmerksamkeit erregte und zwar als intellektuelle Ausdrucksform, der spezifisch deutsche Attribute zugeschrieben wurden.

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Die Verwirklichung der Grund– oder Urwerte des Menschen betrachtet Flechtheim als einen stetigen Vorstoß in die Zukunft. Ein Sieg der Utopie über die Ideologie. Dieser muss allerdings immer wieder neu errungen werden, denn die radikale Utopie ist ein stets bedrohtes, künstliches Kulturprodukt. Die traditionalistische Ideologie dagegen ist eine ursprüngliche-natürliche Macht, die sich stets restauriert. Erst die Kultur bringt die Chance der Humanisierung des Menschen. In dem Buch ‚Über Popmusik‘ schreibt Diedrich Diederichsen, dass sich Pop-Musik auf diejenigen beziehen lässt, die nicht herrschen, um dann die Pop-Musik als eine Art autonome Kultur der Nichtherrschenden zu beschreiben, welche utopische Punkte, Momente und Einstiege in eine Welt des Nichterzwungen, also der Welt von morgen, bestimmt. Die Popkultur erscheint so als sehr machtvoll, um die Humanisierung des Menschen zu ermöglichen und die Futurologie als „Dritte Front“ sichtbar zu machen.

 

"Popmusik ist nur so gut wie die Fragen, die sie zu stellen ermöglicht."
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Zwar war HipHop schon immer von einer gesunden Mischung aus Aktionismus, Vermessenheit und Bereitschaft zur Zuspitzung geprägt, aber für politischen Aktivismus mit medialem Aufruhr war HipHop in der jüngeren Vergangenheit weniger bekannt. „Musik könnte so viel mehr sein und tun. Wir alle könnten diese Gesellschaft zusammen so krass formen und zum Positiven wenden. Es gibt ja jetzt schon keinen Weg an uns vorbei. Wir sind im Mainstream angekommen, und jetzt ist es an uns, etwas daraus zu machen.“, so der Rapper Cheftek. In einer Subkultur, die zu einem großen Teil auf Nonkonformismus aufgebaut ist, ist der Big-Data-Ansatz des Mainstreams eine riesengroße Gefahr. Viele Hörer*innen hören so nur Sachen, die ohnehin schon gute Kennzahlen haben. Dadurch besteht die Gefahr, dass ästhetische und inhaltliche Gegenbewegungen nicht wahrgenommen werden und sie daher mittelfristig auch nicht mehr passieren werden. Vor allem birgt, wie ihr inzwischen vielleicht schon selbst festgestellt habt, die HipHop-Kultur ein riesiges Potential, um die Futurologie als „Dritte Front“ sichtbar zu machen.

Podcast-Countdown: Veröffentlichung am 01.07.2022
Produktionsfortschritt 18%